Samstag, 27. Mai 2017

BGE

Interview aus "Psychologie Heute" vom Juni 2017 (ausgewählte F. und A.)

"Das Grundeinkommen ist kein Lottogewinn"

 

P.H.:
Was bedeutet die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens heute für Sie?
Ich habe bisher verstanden:
Geld für nichts.

Philip Kovce:
Gemäß der Logik des Leistungslohns ist das Grundeinkommen Geld für nichts, weil es keine Leistung honoriert.
Gemäß der Logik des Menschenrechts ist das Grundeinkommen Geld für alles, weil es die Existenz jedes Einzelnen sichert und damit Leistung überhaupt erst ermöglicht.
Ich sehe darin die großen Ideale Freiheit und Solidarität vereint.
Das Grundeinkommen ist sozial und liberal.
Sozial,
weil es für alle ist.
Liberal,
weil es bedingungslos ist.

P.H.:
Bekommt jeder dieses Grundeinkommen - der Arbeitslose,
die Informatikerin und auch der Vorstandschef von VW?

Philip Kovce:
Ja, unbedingt,
sonst wäre es ja kein Grundrecht!
Grundrechte gelten für alle.
Jedoch gilt: Das Grundeinkommen ist kein zusätzliches,
sondern ein grundsätzliches Einkommen.
Es ersetzt den existenzsichernden Anteil der bestehenden Einkommen - und gewährt ihn bedingungslos.
Das führt nicht zu einer Geld-,
sondern zu einer Machtumverteilung.

P.H.:
Wie kann das finanziert werden?

Philip Kovce:
Das Grundeinkommen fordert uns nicht zuerst zum Zählen,
sondern zum Denken auf!
Wir leben heute in einer Gesellschaft,
die an ihrem eigenen Überfluss zugrunde geht.
Es gibt genügend Güter und Dienstleistungen,
um mehr als die gesamte Weltbevölkerung zu ernähren.
Aber es mangelt uns an Fantasie,
mit dieser Situation umzugehen.

P.H.:
Viele fühlen sich heute durch die Arbeit gestresst,
sie leiden unter den steigenden Leistungsanforderungen.
Wenn wir das Grundeinkommen haben,
kann man dann noch klagen?
Heißt es dann nicht:
"Du kannst ja kündigen.
Wenn es dich stresst,
ist es wohl nicht der richtige Job."

Philip Kovce:
Das Grundeinkommen führt dazu,
dass wir einander auf Augenhöhe begegnen.
Im Büro.
In der Familie.
Unter Freunden.
Da jeder Einzelne finanziell unabhängiger ist,
müssen wir in Sachen Kritik auch keine falsche Rücksicht nehmen.
Wir können also sehr wohl klagen und uns beschweren - wenn wir etwas verbessern wollen.
Und wenn wir das gar nicht wollen oder können - dann können wir einfach kündigen.
Den Arbeitsvertrag.
Den Ehevertrag.
Die Freundschaft.
Die Motive,
sich mit anderen zu verbinden und sich auch wieder von ihnen zu lösen,
werden dank des Grundeinkommens weniger finanzieller,
mehr existenzieller Art sein.

P.H.:
Wie würde denn unsere Gesellschaft aussehen nach zehn Jahren mit einem Grundeinkommen?

Philip Kovce:
Ich weiß es nicht.
Die Zukunft ist offen - und das ist auch gut so!

P.H.:
Aber wenn Sie keine schöne Utopie malen,
weiß ich gar nicht,
ob ich für so ein Grundeinkommen bin.

Philip Kovce:
Das Grundeinkommen wird erst dann kommen können,
wenn ich anzuerkennen bereit bin,
dass die Ziele der anderen tatsächlich andere sein können,
als mir lieb ist.
Solange ich meine,
ich müsste die anderen noch wie Schäfchen einhegen,
damit es einigermaßen nach meinem Plan läuft,
bin ich gut beraten,
mit dem heutigen System vorlieb zu nehmen.
Wenn ich meine Fantasie nicht auf meine Zukunftsvorstellungen,
sondern auf die unverfügbare Freiheit der anderen richte,
dann weiß ich zwar nicht,
wie die Zukunft aussehen wird,
aber immerhin,
aus welcher Kraft heraus sie gestaltet werden kann.

P.H.:

[...] Wir können auch untergehen.

Philip Kovce:
Das können wir auch.
So oder So.
Wollen wir also zu Hause bleiben - oder Amerika entdecken?
Dabei sollten wir die Möglichkeit, auch zu Hause unterzugehen,
nicht unterschätzen.
Als ob wir dieser Tage mit unseren überkommenen Institutionen aus dem Industriezeitalter auf der sicheren Seite wären!
Das Grundeinkommen verlässt aus guten Gründen den Weg der Sozialbürokratie des 19. Jahrhunderts.
Dass dieser neue Weg kein vorgeschriebenes Ziel hat,
mag beunruhigen.
Aber das Grundeinkommen ist gerade nicht Opium fürs Volk,
keine Beruhigungs- und keine Glückspille.
Es freut sich über die Freiheit des Einzelnen.
Deshalb ist es keine Ideologie,
sondern eine gute Idee.





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